TV-Tipp: "Der Passfälscher"

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3. Mai, Arte, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Passfälscher"
Eine Vielzahl von Filmen hat ganz bestimmte Vorstellungen vom "Dritten Reich" geprägt: rote Fahnen mit Hakenkreuzen, marodierende SA-Männer, die jüdische Geschäfte zerstören, Gestapo-Männer in Ledermänteln, Radioansprachen, in denen vom "totalen Krieg" die Rede ist. Wenn die Geschichten aus Sicht von Verfolgten des Regimes erzählt werden, sind sie in der Regel durch eine Atmosphäre ständiger Angst geprägt. Von all’ dem kann bei "Der Passfälscher" keine Rede sein.

Die Stimmung ist zwar nicht beschwingt, aber auch nicht weit davon entfernt, denn es scheint kein Problem zu geben, das der jüdische Titelheld nicht weglächeln könnte. 

Berlin 1942. Die Eltern des zwanzigjährigen Cioma Schönhaus sind bereits deportiert worden, aber Louis Hofmann verkörpert den jungen Mann dennoch über weite Strecken als unverbesserlichen Optimisten mit sonnigem Gemüt. Die gewohnten optischen Zutaten der Weltkriegsdramen spart Maggie Peren (Buch und Regie) ohnehin aus, zumal der Film fast ausschließlich aus Innenaufnahmen besteht. Die Staatsmacht wird durch einen versehrten Kriminalkommissar (André Jung) verkörpert, dessen vermeintliche Kriegsverletzung jedoch bloß die Folge eines absurden Unfalls ist; der Mann stellt zumindest aus Sicht Ciomas keine Bedrohung dar. Nicht mal die linientreue Blockwartwitwe (Nina Gummich) verrät ihn an die Geheime Staatspolizei.

Peren hat zuletzt die sehenswerte romantische Zeitschleifenkomödie "Hello Again – Ein Tag für immer" (2020) gedreht, ist aber seit 25 Jahren überwiegend als Autorin tätig ("Dieses bescheuerte Herz", 2017); in ihrem Drehbuch zu "Napola – Elite für den Führer" (2004) hat sie sich schon einmal mit dem Thema Jugend in der NS-Zeit beschäftigt. Diesmal wählt sie einen gänzlich anderen, zuweilen fast heiteren Ansatz: "Der Passfälscher" erzählt eine typische Hochstaplergeschichte, die allerdings auf Tatsachen basiert; es gibt mehrere Bücher über die dreiste Chuzpe des echten Cioma Schönhauser. Er war auf einer Zeichenschule und wollte Kunst studieren, wurde aber als Arbeiter für einen Rüstungsbetrieb verpflichtet; so entging er der Deportation in den Osten. Ein Kollege vermittelt den Kontakt zu einem Anwalt, der sich um untergetauchte Juden kümmert. Fortan fälscht Cioma Ausweispapiere; im Gegenzug wird er mit Lebensmittelmarken versorgt.

Aus diesem Stoff hätte auch ein packendes Drama mit vielen Thriller-Momenten und diversen Rettungen in letzter Sekunde werden können, aber weil Cioma den Ernst seiner Lage gar nicht zu erfassen scheint, kommt es seinem Leichtsinn zum Trotz kaum zu Situationen, in denen er in echter Gefahr schwebt. Falls sich die Dinge doch mal zuspitzen, handelt er nach der Devise "Angriff ist die beste Verteidigung" und weist zum Beispiel zwei Polizisten bei einer Personenkontrolle in scharfem Ton auf ihr Fehlverhalten hin. Dass ihm dennoch durchaus bewusst ist, was um ihn herum passiert, verdeutlicht Peren mit einem Comic-Strip, den der Kollege in der Fälscherwerkstatt entdeckt. In den Zeichnungen hat Cioma das Grimmsche Märchen "Die Sterntaler" variiert: Auf den Talern, die das Mädchen auffängt, steht ein "J" für Jude. Davon abgesehen tanzt der charmante blonde Schwindler den Faschisten buchstäblich vor der Nase rum. Er speist regelmäßig in einem vornehmen Restaurant und wird als angeblicher Soldat auf Fronturlaub sogar von einem anderen Gast eingeladen. Als er sich gemeinsam mit seinem Freund Det (Jonathan Berlin), einem jüdischen Schneider, als schneidiger Marineoffizier ausgibt, lernt er eine junge Frau (Luna Wedler) kennen und lieben, deren Verlobter tatsächlich an der Front ist. 

Der weitgehende Verzicht auf wirklich bedrohliche Situationen ist natürlich riskant; streckenweise wirkt der Film auch dank der beschwingten Musik (Mario Grigorov) wie ein unbeschwertes Abenteuer, zumal das Drehbuch den historischen Hintergrund als bekannt voraussetzt. Andererseits erleichtert dieser Ansatz den Zugang für ein junges Publikum: Cioma ist kein Widerstandskämpfer und somit keine idealisierte Figur; Religion spielt in seinem Leben ebenfalls keine Rolle. Möglicherweise betrachtet er seine Tätigkeit als Kennkartenfälscher sogar als Akt der Rebellion, aber in erster Linie sichert sie ihm sein leibliches Wohl. Außerdem spart Peren den Schrecken jener Jahre keineswegs aus, selbst wenn sie zum Beispiel einen Fliegerangriff auf Wetterleuchten vor dem Fenster reduziert. Die Innenaufnahmen sind allerdings durchgehend betont düster. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, empfiehlt den Film für den Schulunterricht. Entsprechendes Begleitmaterial lässt sich auf der Website des X-Verleihs runterladen.